Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
eine umsatzsteuerrechtliche Frage beschäftigte uns Reisebüros über viele, sehr viele Jahre, fast könnte man sagen über Jahrzehnte. Nun sollte man eigentlich meinen, dass die nachfolgende Problematik längst ausgestanden sei, ein aktueller Vorfall in unserem Mandantenkreis, aber auch eine aktuelle Veröffentlichung der Finanzverwaltung zeigt jedoch, dass diese Problematik noch nicht überall in vollem Umfang bekannt ist.

Es geht um folgende umsatzsteuerrechtliche Frage:
Mindern Kundenrabatte eines Reisebüros die Umsatzsteuer?

Dieser Umsatzsteuerrechtsfrage liegt ein ganz einfacher Sachverhalt zugrunde:
Ein Reisebüro vermittelt im Namen und auf Rechnung eines Reiseveranstalters einem Kunden eine Pauschalreise im Wert von EUR 1.000. Der Reiseveranstalter schließt mit dem Kunden einen Reisevertrag ab, es werden Reisebedingungen vereinbart, der Reiseveranstalter stellt dem Kunden einen Sicherungsschein zur Verfügung.

Aufgrund des bestehenden Handelsvertretervertrages erhält das Reisebüro vom (deutschen) Reiseveranstalter eine Provision iHv EUR 100 zzgl. 19 % Umsatzsteuer.
Das Reisebüro gewährt (aus welchem Grund auch immer) dem Kunden (des Reiseveranstalters!) einen Rabatt iHv EUR 119 auf den Reisepreis, den der Reiseveranstalter über das Reisebüro von dem Kunden verlangt.

Am Rande: Allzu oft sollte das Reisebüro solche Rabatte nicht gewähren, es hat dann nicht nur nichts verdient, es hat sogar bei dieser Reisebuchung einen Verlust gemacht.
Die umsatzsteuerrechtliche Frage lautet jetzt jedoch: Muss das Reisebüro die 19 % Umsatzsteuer, die es vom Reiseveranstalter auf die Provision erhält, an sein Finanzamt zahlen oder kann das Reisebüro gedanklich die Provisionseinnahme mit dem gewährten Rabatt verrechnen, so dass gar keine Umsatzsteuer anfällt?

Diese Umsatzsteuerrechtsfrage war in Deutschland lange Zeit sehr umstritten, und der Bundesfinanzhof, das höchste deutsche Steuergericht, hat hierzu im Jahr 2006 ein ganz krasses Fehlurteil gefällt (s.u.)! Und diese falsche Rechtsansicht hielt auch noch viele, viele Jahre!

1. Die alte, absolut falsche Rechtslage
Selbst im Jahr 2015 war im Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) immer noch die falsche Ansicht der Finanzverwaltung und die ebenso falsche Ansicht des BFH abgedruckt. In diesem UStAE hieß es nämlich noch im Jahr 2015: „Danach mindern Preisnachlässe, die dem Abnehmer von Reiseleistungen (also dem Kunden) vom Reisebüro für eine vom ihm lediglich vermittelte Reise gewährt werden, die Bemessungsgrundlage des Umsatzes der vom Reisebüro dem Reiseveranstalter gegenüber erbrachten Vermittlungsleistungen (vgl. BFH-Urteil v. 12.1.2006).“

Etwas weiter wurde dann damals in dem UStAE das folgende, absolut untaugliche Beispiel aufgeführt:
„Ein Reisebüro räumt einem privaten Endabnehmer einen Preisnachlass für eine Hotelunterkunft in Mexiko ein. Das Reisebüro gewährt dem Endabnehmer den zugesagten Preisnachlass in bar ohne Beteiligung des Reisebüros zu Lasten seiner Provision. Der Reiseveranstalter hat lediglich die Hotelunterkunft in Mexiko eingekauft. Der Reiseveranstalter erteilt dem Endabnehmer eine Rechnung über den vollen Reisepreis und schreibt dem Reisebüro die volle Provision gut.

Das Reisebüro kann keine Minderung der Bemessungsgrundlage für seine steuerpflichtige Vermittlungsleistung an den Reiseveranstalter geltend machen, da der vermittelte Umsatz nach § 25 Abs. 2 UStG umsatzsteuerfrei ist. Die Reiseleistung des Reiseveranstalters an den Endabnehmer ist steuerfrei, da die ihr zuzurechnende Reisevorleistung im Drittlandsgebiet bewirkt wird.“

Also noch im Jahr 2015 wird von der Finanzverwaltung die falsche Rechtslage angenommen, eine Rechtslage, die der BFH in seiner Entscheidung vom 12.1.2006 völlig verkannt hat.

Vereinfacht ausgedrückt hieß dies, nach der alten, falsche Rechtsansicht:
Wenn ein Reisebüro dem Kunden aus seiner Provision heraus einen Rabatt gewährt, dann darf das Reisebüro den gewährten Rabatt bei seiner Vermittlungsprovision abziehen und zahlt dann weniger Umsatzsteuer, wenn es sich um eine Reise innerhalb der EU handelt!

Diese völlig falsche Einschätzung der bundesdeutschen Finanzverwaltung, diese absolut Fehlentscheidung des BFH aus dem Jahr 2006 gefiel aber offensichtlich selbst einigen Finanzbeamten nicht! Und dann wurde eine regelrechte Lawine losgetreten.

Im August 2007 wandte sich nämlich das Düsseldorfer Reisebüro Ibero Tours GmbH an sein Finanzamt (FA) und trug dort vor, dass Ibero Tours in den vier Jahren von 2002 bis 2005 seinen Kunden aus seiner Provision heraus Rabatte von mehr als EUR 60.000 gewährt habe. Ein Teil dieser Rabatte müsse zu einer Minderung der Provisionseinnahmen, zu einer Minderung der Umsatzsteuer und damit zur Rückzahlung von Umsatzsteuer an Ibero Tours führen.

Dieses Ansinnen wiederum gefiel dem FA Düsseldorf gar nicht, flugs setzte das FA Düsseldorf bereits im Jahr 2007 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung an und kam zu dem Ergebnis:
Rabatte eines Reisebüros an die Kunden mindern die Provisionseinnahmen und die darauf entfallende Umsatzsteuer nicht.

Und jetzt ging es durch die Instanzen:
– Das FA: Rabatte, die ein Reisebüro seinen Kunden gewährt, mindern die Provisionseinnahmen nicht.
– Das FG Düsseldorf: Rabatte, die ein Reisebüro seinen Kunden gewährt, mindern die Provisionseinnahmen nicht.
– Der BFH: Weiß ich doch nicht, fragen wir den EuGH.
– Der EuGH: Rabatte, die ein Reisebüro seinen Kunden gewährt, mindern die Provisionseinnahmen nicht.
– Der BGH: Ja, wenn das so ist: Rabatte, die ein Reisebüro seinen Kunden gewährt, mindern die Provisionseinnahmen nicht.

Dazu verlautete dann aus dem BFH:
Aufgrund des EuGH-Urteils vom 16.1.2014 „Ibero Tours“ hält der Senat (gemeint ist der V. Senat des BFH) nicht daran fest, dass ein Vermittler das Entgelt für seine Vermittlungsleistung mindern kann, wenn er dem Kunden der von ihm vermittelten Leistung einen Preisnachlass gewährt.

Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle etwas äußerst Unerfreuliches:
In seiner Entscheidung vom 12.1.2006 befasste sich der BFH mit Sachverhalten aus den vier Jahren 1996 bis 1999.
In seiner Entscheidung vom 27.2.2014 befasste sich der BFH mit Sachverhalten aus den vier Jahren 2002 bis 2005.
Das bedeutet, dass möglicherweise in all den Jahren zwischen 1996 und der endgültigen, abweichenden Entscheidung des BFH vom 27.2.2014 fast
20 Jahre vergingen. Und das alles nur, weil sich der BFH in einer Entscheidung aus dem Jahr 2006 völlig verrannt hatte!

2. Die neue, absolut richtige Rechtslage
Aber auch dann dauerte es noch! Zur Erinnerung:
Der EuGH entschied am 16.1.2014, in seinen Entscheidung vom 27.2.2014 folgte der BFH dem EuGH.
Dennoch dauerte es noch weitere zwei bis drei Jahre, ehe auch die Finanzverwaltung reagierte und ihre eigene, falsche Rechtsauffassung änderte. So heißt es denn auch ab dem Jahr 2016 im UStAE nunmehr:
„Eine Minderung der Bemessungsgrundlage kommt hingegen nicht in Betracht, wenn nicht ein an der Leistungskette beteiligter Unternehmer, sondern lediglich ein Vermittler dem Kunden der von ihm vermittelten Leistung einen sog. Preisnachlass gewährt (BFH-Urteil v. 27.2.2014). Danach mindern beispielsweise Preisnachlässe, die dem Abnehmer von Reiseleistungen vom Reisebüro für eine vom Reisebüro lediglich vermittelte Reise gewährt werden, nicht die Bemessungsgrundlage des Umsatzes der
vom Reisebüro dem Reiseveranstalter gegenüber erbrachten Vermittlungsleistung.“

Aber nicht nur in unserem Bekanntenkreis kam die Frage noch mal auf, ob man Umsatzsteuer spart, wenn man dem Kunden aus der umsatzsteuerpflichtigen Provisionseinnahme heraus einen Rabatt gewährte.

Auch die Finanzverwaltung hat diese Problematik jetzt noch einmal aufgegriffen. Das Bundesfinanzministerium hat im Schreiben vom 13.7.2017 den entsprechenden Abschnitt im UStAE überarbeitet (Abschn. 17.2 UStAE).

Dort heiß es jetzt, ganz aktuell:
„Preisnachlässe außerhalb der Leistungskette und Werbemaßnahmen
Eine Minderung der Bemessungsgrundlage kommt nicht in Betracht, wenn nicht ein an der Leistungskette beteiligter Unternehmer, sondern lediglich ein Vermittler dem Kunden der von ihm vermittelten Leistung einen sog. Preisnachlass gewährt (BFH-Urteil v. 27.2.2014).
Danach mindern z.B. Preisnachlässe, die dem Abnehmer von Reiseleistungen vom Reisebüro für eine vom Reisebüro lediglich vermittelte Reise gewährt werden, nicht die Bemessungsgrundlage des Umsatzes der vom Reisebüro dem Reiseveranstalter gegenüber erbrachten Leistungen …“

Jetzt haben wir es also schwarz auf weiß, auch in der neuesten Überarbeitung des Abschn. 17.2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses ist jetzt wieder die richtige Rechtsanwendung zu lesen.

Wie geht also o.g. Beispiel aus:
– Das Reisebüro erzielt umsatzsteuerpflichtige Provisionserlöse iHv EUR 100, unser Reisebüro zahlt EUR 19 an sein Finanzamt.
– Der gesamte Rabatt, den das Reisebüro „seinem“ Kunden gewährt (EUR 119) wird als Betriebsausgabe verbucht, geht voll in die Kosten. Ein Vorsteuerabzug wird in der Regel nicht gegeben sein.

Ergebnis dieses Beispiels:
Auf dem Bankkonto unseres Reisebüros kommen EUR 119 an, das Reisebüro erzielt Betriebseinnahmen iHv EUR 100, das Reisebüro gibt dem Finanzamt EUR 19, es gibt aber auch
dem Kunden EUR 19 als Rabatt. Das Reisebüro hat somit aus dieser Reisevermittlung einen Verlust iHv EUR 19 gemacht.
Aber, wie sagen wir in unserer Branche immer: Der Umsatz war gut!

Fazit:
Wenn ein Reisebüro aus seiner steuerpflichtigen (oder auch steuerfreien) Provision heraus dem Kunden einen Rabatt gewährt, so berührt das die Umsatzsteuer nicht.

Bonn, den 12. August 2017
(Stand: 29.7.2017)

verantwortlich für Redaktion und Inhalt: Steuerberater Heribert Kohl, Grootestrasse 97, 53121 Bonn