Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

in unserer Kanzleiinformation GewSt 2017 Nr. 2 vom 20.5.2017 berichteten wir über einen Gerichtsbescheid des FG Hamburg, dieses ist nun offensichtlich von der Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Hinzurechnungsvorschriften nicht mehr so ganz überzeugt, wir berichteten in der Kanzleiinformation v. 20.05.2017, dass Revision beim BFH eingelegt wurde.

Zwischenzeitlich wurde der Gerichtsbescheid des FG Hamburg auch in der steuerlichen Fachliteratur veröffentlicht. In der Zeitschrift „Entscheidungen der Finanzgerichte“ (EFG) wurde zu diesem Urteil in Heft 9, S. 740 f, eine Anmerkung von der Richterin am Finanzgericht Susanne Neblung veröffentlicht, aus dieser „Anmerkung“ wollen wir, leicht gekürzt und vielleicht für den Laien ein wenig verständlicher dargestellt, zitieren:
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  1. Die Entscheidung des FG Hamburg betrifft ein zuvor ebenfalls beim FG Hamburg geführtes Verfahren, in dem das FG mit Beschluss vom 29.2.2012 die Hinzurechnungsbestimmungen des Gewerbesteuergesetzes dem BVerfG zur Überprüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit vorgelegt hat. Das BVerfG hat mit Beschluss vom 15.2.2016 die Unzulässigkeit der Vorlage festgestellt.

  2. Seit dem Vorlagebeschluss des FG Hamburg an das BVerfG hat sich insbesondere der I. Senat des BFH in mehreren Entscheidungen mit der Verfassungsmäßigkeit der neugeregelten Hinzurechnungsvorschriften befasst. Insbesondere in zwei Entscheidungen hat der BFH einen Verstoß gegen verfassungsrechtliche Grundsätze verneint und hat dabei ausgeführt, die Gewerbesteuer sei in ihrer Grundstruktur als vornehmlich auf den Ertrag des Gewerbebetriebs gerichtete Objektsteuer verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Eine Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer „reinen“ Ertragsteuer sei nicht erkennbarDer Vorlagebeschluss des FG Hamburg an das BVerfG wende sich letzten Endes nicht nur gegen die in Rede stehenden Hinzurechnungsvorschriften, sondern gegen die Gewerbesteuer als solches. Aus der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Gewerbesteuer als leistungsorientierter Objektsteuer folge, dass die Ist-Leistungsfähigkeit nicht den Maßstab fur die Prüfung der streitigen Hinzurechnungsregelung darstelle. Vielmehr komme es darauf an, ob sich diese Hinzurechnungsregelungen folgerichtig in das Konzept einer „ertragsorientierten Objektsteuer“ einfiigten. Entsprechende Ausführungen sind auch in dem BVerG-Beschluss vom 15.2.2016 enthalten, in dem sich das BVerfG nicht nur mit Fragen der Zulässigkeit des Vorlagebeschlusses, sondern auch mit verfassungsrechtlichen Maßstäben fur die Überprüfung von Steuergesetzen und insbesondere der Gewerbesteuer befasst.

  3. Das FG Hamburg hat keine erneute Vorlage an das BVerfG beschlossen, weil es von der Verfassungswidrigkeit der neugeregelten Hinzurechnungsvorschriften nicht überzeugt ist. In seiner Entscheidung betont das FG Hamburg, dass die einzelnen neu geregelten Hinzurechnungsvorschriften in ihrer konkreten Ausgestaltung auf ihre Vereinbarkeit mit steuerverfassungsrechtlichen Prinzipien und Grundrechten überprüft werden können. Die verfassungsrechtliche Gerechtfertigung der Gewerbesteuer in ihrer Grundstruktur als vornehmlich auf den Ertrag des Gewerbebetriebs gerichtete Objektsteuer stehe dem nicht entgegen. Bei den einzelnen Hinzurechnungsbestimmungen handele es ich um Differenzierungen innerhalb des Steuergegenstandes mit einer engeren Bindung des Gesetzgebers an sachliche Erwägungen, insbesondere solche der Folgerichtigkeit und Belastungsgleichheit.Dabei sei aber nicht ersichtlich, wie der vom BVerfG geforderte dem Prinzip einer ertragsorientierten Objektsteuer entsprechende Prüfungsmaßstab aussehen müsse. Ein solcher Maßstab müsse erst noch entwickelt werden. Ohne einen solchen aus der Verfassung und der Rechtsprechung des BVerfG abzuleitenden Maßstab sei eine erneute Vorlage nicht zulässig. Dies gelte auch vor dem Hintergrund, dass die im Vorlagebeschluss des FG Hamburg vom 29.2.2012 angestellten Überlegungen zum Teil nicht nur die neu geregelten Hinzurechnungsvorschriften beträfen, sondern auch so verstanden werden könnten, dass sie letztlich die Gewerbesteuer in ihrer Grundstruktur in Frage stellten; die Verfassungswidrigkeit der Hinzurechnungsvorschriften durfte aber nicht aus Gesichtspunkten herzuleiten sein, die die Grundstruktur der verfassungsrechtlich in ihrer herkommlichen Ausgestaltung gerechtfertigten Gewerbesteuer in gleicher Weise betreffen würden.

  4. Mit seiner Entscheidung folgt das FG Hamburg im Ergebnis der Rechtsprechung des BVerfG und des BFH. Dabei wirft es aber die Frage auf, nach welchem Mafstab einzelne Regelungen des Gewerbesteuerrechts verfassungsrechtlich überpruft werden können und von welchem Gewerbebetrieb hierfür eigentlich als typischer Fall auszugehen ist

  5. Der Kläger hat gegen den Gerichtsbescheid des FG Hamburg Revision eingelegt. Es bleibt abzuwarten, ob im Revisionsverfahren vor dem BFH eine Weiterentwicklung der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Hinzurechnungsvorschriften erfolgt und ob möglicherweise das BVerfG erneut Gelegenheit zur Überprüfung bekommt.Wünschenswert wäre eine Klärung, wie weit die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Gewerbesteuer in ihrer Grundstruktur reicht und inwiefern und nach welchen Maßstäben einzelne Hinzurechnungsvorschriften des Gewerbesteuergesetzes verfassungsrechtlich auch im Hinblick auf die vom FG Hamburg aufgeworfenen Fragen überprüfbar sind.

    Die bisherige Rechtsprechung des BFH durfte aber eher dafür sprechen, dass jedenfalls letztendlich die Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnungsvorschriften bejaht wird. Vorsorglich könnten jedoch Gewerbesteuer-Messbetragsbescheide, in denen sich die Hinzurechnungsvorschriften auswirken, offengehalten werden, soweit sie nicht bereits vorläufig im Hinblick auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit ergangen sind.

Soweit die „Anmerkung“ von Susanne Neblung, Richterin an einem Finanzgericht, in der Zeitschrift EFG.

Wenn Sie die vollständige „Anmerkung“ lesen wollen, insbesondere die dort zitierten vielfältigen Quellen, so können Sie in unserer Kanzlei gerne Fotokopien anfordern.

Bonn, den 3. Juni 2017
Stand: 13.5.2017

verantwortlich für Redaktion und Inhalt: Steuerberater Heribert Kohl, Grootestrasse 97, 53121 Bonn
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