asr Bundesverband e.V.– Friedrichstr. 119 – 10117 Berlin
Bundesminister für Wirtschaft und Energie
Herrn Peter Altmaier
11019 Berlin

Berlin, 25. September 2019

Sehr geehrter Herr Bundesminister Altmaier,

die Insolvenz der britischen Thomas Cook-Gruppe gefährdet Hunderte von mittelständischen Unternehmen in ihrer Existenz. Wir bitten Sie, sich im Rahmen Ihrer Möglichkeiten und Aufgaben dafür einzusetzen, dass der wirtschaftliche Schaden, den die inhabergeführten Reiseveranstalter und Reisebüros bereits erlitten haben und der täglich zunimmt, soweit irgend möglich begrenzt wird.

Die wichtigsten aktuellen Themenfelder des touristischen Mittelstands:

Pauschalreise: In der Öffentlichkeit und den Medien wird zunehmend das Konzept der Pauschalreise an sich in Frage gestellt; das Vertrauen der Verbraucher in dieses Konzept erodiert. Hierfür sind neben der Insolvenz der britischen Thomas Cook- Gruppe an sich vor allem zwei Faktoren auszumachen:

Die Deckelung der Versicherungssumme auf 110 Mio. Euro wird nach Einschätzung von Experten bei der heute erfolgten Insolvenz der deutschen Töchter bei weitem nicht ausreichen, um alle Ansprüche zu erfüllen. Das Vertrauen der Verbraucher, mit dem Sicherungsschein auch wirklich abgesichert zu sein, wird enttäuscht werden – es sei denn der Staat übernimmt seinen Teil der Verpflichtung. Denn die Umsetzung der europäischen Vorgaben für Pauschalreisen ist in Deutschland in einer Form erfolgt, die durchaus nahelegt, dass der Bund die Differenz kompensieren muss.
Wir fordern Sie daher auf, hier den Weg freizumachen für eine vollständige Entschädigung betroffener Verbraucher.

Die deutschen Veranstalter-Töchter der Thomas Cook-Gruppe haben erst heute, mehr als 48 Stunden nach der Insolvenz des Mutterkonzerns, ihre eigene Zahlungsunfähigkeit bekanntgegeben, obwohl diese faktisch längst gegeben war. Betroffene Reisende erhielten in den vergangenen Tagen weder Auskunft seitens der Thomas Cook-Marken, noch konnten sie ihre Ansprüche bei dem Versicherer des Konzerns geltend machen, da dieser darauf verwies, dass die Insolvenz noch nicht erklärt sei. Auch dies hat in den vergangenen beiden Tagen massiv das Vertrauen der Öffentlichkeit in die gesamte Touristik untergraben.
Wir fordern Sie daher auf: Prüfen Sie den von Thomas Cook gestellten Antrag auf Überbrückungskredit zügig und helfen Sie mit, diese „Hängepartie“ zu beenden, damit Thomas Cook eine geordnete Insolvenz schaffen kann. Das bisherige Agieren jedenfalls zieht mittlerweile den Ruf der gesamten Branche in Mitleidenschaft!

Mittelständische REISEBÜROS: Durch die Zahlungsunfähigkeit der deutschen Thomas Cook-Unternehmen gehen Tausenden mittelständischen Reisebüros die Provisionseinnahmen für bereits vermittelte, aber noch nicht abgereiste bzw. nicht abgerechnete Reisen verloren. Dies wird bei vielen Unternehmen zu existenziellen Problemen führen.
Wir fordern Sie daher auf: Prüfen Sie, welche Hilfsprogramme der Bund auflegen kann, um die wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen mittelständischen Unternehmen zu mildern: Bauern bekamen vom Bund 2018 Hilfe in Höhe von 170 Mio. Euro; die Länder legten in ähnlicher Größenordnung nach, weil unverschuldet die Ernte geringer ausfiel. Reisebüros haben den gleichen moralischen Anspruch auf Entschädigung, wenn ihnen ebenso unverschuldet die Provisionseinnahmen wegbrechen. Würden die Reisebüros ebenfalls 340 Mio. Euro erhalten, wäre dies mehr als nur ein Tropfen auf den heißen Stein: Diese Maßnahme – und nur diese! – könnte Tausende von Arbeitsplätzen erhalten.

Mittelständische VERANSTALTER: Die Nachricht, dass die Condor Überbrückungskredite erhalten soll, hilft der Condor, aber noch nicht den mittelständischen Reiseveranstaltern, denn das angestrebte Schutzschirmverfahren ist identisch mit dem Ansatz bei Air Berlin 2017: Damals blieben jedoch alle Veranstalter und alle Verbraucher auf den Kosten für bereits bezahlte Flugtickets für Abreisen in der Zukunft sitzen: Es gab weder das Geld zurück, noch wurde die Leistung erbracht. Dies ist zum einen der fehlenden verpflichtenden Insolvenzabsicherung für Fluggesellschaften geschuldet, vor allem aber der eklatanten Ungleichbehandlung von Airlines und Veranstaltern: Veranstalter müssen auf eigene Kosten die Flugleistungen bei andern Airlines neu einkaufen, da sie gesetzlich verpflichtet sind, die dem Kunden zugesagten Leistungen auch zu erbringen, selbst wenn der Veranstalter völlig unverschuldet vom Aus einer Fluggesellschaft getroffen wird.
Wir fordern Sie daher auf: Erarbeiten Sie gemeinsam mit den touristischen Verbänden Lösungen, wie die zu erwartenden Forderungsausfälle der Veranstalter gegenüber der Condor finanziell kompensiert werden können. Andernfalls droht als „Domino-Effekt“ der Kollaps hunderter Spezial-Veranstalter mit Tausenden von Arbeitsplätzen, denn anders als Air Berlin hat Condor mit dem weltweiten Streckennetz zu Zielen abseits des Massentourismus vor allem zahlreiche mittelständische Veranstalter als Partner.

Condor: Wir danken allen Beteiligten, die sich für die Erteilung der Überbrückungskredite eingesetzt und diese möglich gemacht haben. Ein Weiterbetrieb der Fluggesellschaft ist für den touristischen Wettbewerb und die Angebotsvielfalt des deutschen Marktes von existenzieller Bedeutung.
Bitte setzen Sie sich nun in Brüssel dafür ein, dass die Überbrückungskredite von Bund und Land zügig genehmigt und von der KfW ebenso zügig ausgezahlt werden.

Wie geht es weiter?

Seit vielen Jahren hat der touristische Mittelstand mangelnde Absicherungen und Wettbewerbsverzerrungen angeprangert – nichts ist geschehen. Die aktuelle Insolvenz der Thomas Cook-Gruppe wird wieder Hunderte, wenn nicht Tausende Arbeitsplätze kosten und ist einmal mehr Beleg dafür, dass die Politik auf den Mittelstand setzen muss und nicht auf internationale Großkonzerne.
Wir fordern Sie daher auf, für die Zukunft endlich für eine ausreichende Absicherung der Beteiligten und der Verbraucher zu sorgen und fairen Wettbewerb herzustellen.

Schaffen Sie eine Pflicht der Fluggesellschaften zur Insolvenzabsicherung!
JETZT ist der Zeitpunkt, dieses viele Jahre alte und vom asr immer wieder geforderte Konzept auch im nationalen Alleingang umzusetzen:

Lufthansa, TUIfly & Co. profitieren von der derzeitigen Marktunsicherheit bezüglich der Condor, die Börsenkurse schnellen hoch: Die Airlines können eine solche Leistung problemlos finanzieren und ebenso problemlos die Kosten an den Verbraucher weiterreichen
Die Condor könnte mit einer solchen Lösung, die dem Kunden – egal ob Veranstalterkunde oder Einzelplatzbucher – die Absicherung seiner Gelder garantiert, schnell neues Vertrauen gewinnen.

Stellen Sie sicher, dass ALLE Veranstalter den GESAMTEN Umsatz gegen Insolvenz absichern!

Die Tatsache, dass Mittelständler ihren gesamten Umsatz absichern müssen, eine Handvoll Großveranstalter und Konzerne dies aber nur bis zu einer viel zu geringen und nie angepassten Obergrenze von 110 Mio. Euro tun müssen, stellt eine eklatante Wettbewerbsverzerrung gegenüber dem Mittelstand dar.
Diese willkürliche Obergrenze führt nun dazu, dass Hunderttausende von deutschen Kunden der Thomas Cook-Gruppe ihre Ansprüche nicht oder nicht vollständig erfüllt sehen werden. Dies zieht den Ruf aller Pauschal-Veranstalter in den Schmutz. Dies hätte so nie passieren dürfen – es muss aber vor allem für die Zukunft ausgeschlossen werden, dass es jemals wieder passieren kann!

Erarbeiten Sie gemeinsam mit allen Branchenverbänden Lösungen, die zumindest innerhalb Deutschlands berechtigte Ansprüche im B2B-Bereich absichern

Der Status quo: Veranstalter bekommen ihre Ansprüche bei Airline-Insolvenzen nicht erfüllt, Reisebüros werden um Provisionen betrogen, wenn Veranstalter insolvent gehen. Das gegenseitige Vertrauen von Veranstaltern, Airlines und Reisebüro ineinander ist massiv erschüttert: Wir brauchen gesetzliche Rahmenbedingungen, die eine Absicherung der jeweiligen Leistungs- und Provisionsansprüche für alle verbindend machen – egal, ob über eine Versicherungs- oder eine Fondslösung.

Für alle Rückfragen stehen wir Ihnen wie immer gerne und jederzeit zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Jochen Szech                                                                   Anke Budde
Präsident                                                                          Geschäftsstellenleitung / Schatzmeisterin