asr-Mitglied Steuerberater Sören Münch, eureos gmbh:

Die zivilrechtlichen Folgen der EU-Pauschalreiserichtlinie werden in diesen Tagen viel diskutiert. Die Verabschiedung des entsprechenden Umsetzungsgesetzes wird für April 2017 erwartet.

I. Einführung

Nachfolgend wird dargestellt, dass die im Gesetzentwurf vorgesehene Umqualifizierung von Vermittlung zu Reiseveranstaltung keine direkten Auswirkungen auf die Besteuerung der Unternehmen hat (insbesondere Anwendung der Margenbesteuerung und gewerbesteuerliche Hinzurechnung für Hoteleinkauf).

II. Zivilrechtliche Formen des Reisevertriebs

Der Gesetzentwurf betrifft ausschließlich die zivilrechtlichen Regelungen des Reiserechts. Darin wird für zivilrechtliche Zwecke künftig zwischen

  • Reiseleistungen in Form der Personenbeförderung, Beherbergung oder Vermietung (nachfolgend: Reiseleistungen im engen Sinn)
    und
  • Reiseleistungen in Form touristischer Leistungen wie zum Beispiel Konzertkarten, Ausflüge oder Führungen (nachfolgend: Reiseleistungen im weiten Sinn bzw. touristische Leistungen)
    differenziert. Zudem lassen sich aus dem Gesetzentwurf folgende vier Vertriebsformen für Reiseleistungen unterschieden:

1. Reiseveranstalter einer Pauschalreise

a. Vermittler als Reiseveranstalter nach § 651b BGB-E

  • Abgrenzung zur Vermittlung

b. Vermittler verbundener Online-Buchungsverfahren als Reiseveranstalter nach § 651c BGB-E

  • Verbundene Online-Buchungsverfahren

2. Reisevermittler einer Pauschalreise nach § 651v BGB-E

3. Vermittler von verbundenen Reiseleistungen nach § 651w BGB-E

  • NEU (Änderung des Gesetzentwurfs erwartet): Zahlung bzw. Inrechnungstellung von Reiseleistungen in einer Gesamtsumme unschädlich, wenn es sich dabei um die bloße Summierung der Einzelpreise der einzelnen verbundenen Reiseleistungen handelt

4. Vermittler einer Einzel-Reisebuchung

  • Rückschluss aus § 651w Abs. 1 Nr. 2 BGB-E

III. Zivilrechtliche Abgrenzung zwischen Reiseveranstalter und Vermittler

1. Reiseveranstalter: Im eigenen Namen und auf eigene Rechnung

Reiseveranstalter ist, wer als Vertragspartei des Reisenden die Gesamtheit der Reiseleistungen in eigener Verantwortung zu erbringen verspricht. Das setzt voraus, dass die Erbringung der Leistungen von ihm selbst geschuldet wird.

2. Vermittler: Im fremden Namen und auf fremde Rechnung

Reisevermittlung ist die Tätigkeit, die auf den Abschluss von Verträgen über Reiseleistungen zwischen Reiseunternehmen (Reiseveranstaltern, Leistungsträgern) und Kunden gerichtet ist.

Für die zivilrechtliche Beurteilung, ob der Reiseunternehmer als Vermittler (Fremdleistungen) bzw. Reiseveranstalter (Eigenleistungen) einzustufen ist, kommt es allein auf die Sicht des Reisenden an. Entscheidend ist, dass der Vermittler unter Berücksichtigung der Gesamtumstände als solcher nach außen auftritt. Das setzt voraus, dass auf einen Dritten als Veranstalter etwa in Werbung, Anmelde-, Buchungsvorgang, Katalog oder Rechnungsstellung ausdrücklich hingewiesen wird. Zweifel an der Vermittlerstellung führen regelmäßig zur Haftung als Reiseveranstalter.

IV. Umsatzsteuerliche Formen des Reisevertriebs

Auch für Zwecke des Umsatzsteuerrechts wird zwischen Reiseveranstalter (Eigenhandel) und Vermittler unterschieden.

Bei Vermittlung unterliegen die Provisionen der umsatzsteuerlichen Regelbesteuerung.

Der Eigenhandel mit touristischen Leistungen hat demgegenüber in der Regel folgende steuerliche Konsequenzen:

Umsatzsteuer:

  • grundsätzlich Margenbesteuerung i. S. d. § 25 UStG (Spezialregelung)
    o    Voraussetzung (u. a.): Auftreten im eigenen Namen und Inanspruchnahme von Leistungen Dritter (Reisevorleistungen)
    o    Marge ist steuerpflichtig, soweit die Reisevorleistungen in der EU bewirkt werden.
  • Regelbesteuerung, wenn die Voraussetzungen des § 25 UStG nicht vorliegen
    o    z. B. bei Leistungen, die der Unternehmer selbst mit eigenen Mitteln erbringt (sog. Eigenleistungen in Abgrenzung zu Reisevorleistungen)

Gewerbesteuer:

  • gewerbesteuerliche Hinzurechnungen der Miet- und Pachtzinsen für Einkauf von Hotelzimmern (laut Auffassung Finanzverwaltung)

Vermittlung und Eigenhandel werden auch im Umsatzsteuerrecht anhand der Leistungsbeziehungen zwischen den Beteiligten voneinander abgegrenzt.

1. Klare Vermittlung: im fremden Namen und auf fremde Rechnung

Voraussetzung für eine Vermittlung ist das Handeln in fremdem Namen und auf fremde Rechnung.

Im fremden Namen handelt, wer ein Umsatzgeschäft nach außen erkennbar im Namen des Vertretenen abschließt. Maßgeblich ist insofern, dass der Leistungsempfänger aus

  • Buchungsbestätigungen,
  • Prospekt / Internetauftritt,
  • Rechnungen,
  • weiteren Geschäftsunterlagen sowie
  • dem Abschluss der jeweiligen Verträge

das Auftreten als Vermittler – auch außerhalb der AGB – erkennen kann.

2. Klarer Eigenhandel: im eigenen Namen und auf eigene oder fremde Rechnung

Von einem Auftreten im eigenen Namen ist in der Regel auszugehen, wenn der Unternehmer nicht erkennen lässt, dass er nur als Vermittler für Leistungen anderer Unternehmer auftreten will. Nach der Rechtsprechung des BFH und der Finanzverwaltung setzt dies zwischen dem Reiseveranstalter und Kunden grundsätzlich unmittelbare Rechtsbeziehungen dergestalt voraus, dass der Reiseveranstalter für den reibungslosen Ablauf der Reise selbst verantwortlich ist.

3. Grenzfälle

In der Praxis weist das Handeln des Reiseunternehmers häufig sowohl Elemente der Vermittlung als auch des Eigenhandels auf.

Dies betrifft zum einen Fälle, in denen nicht klar entweder im eigenen oder im fremden Namen gehandelt wird, z. B. bei Verwendung unklarer Regelungen bzw. uneinheitlichem Auftreten in fremdem bzw. eigenem Namen (Abweichungen in AGB, Katalog, Buchungsportal, Buchungsvorgang sonstigen Geschäftsunterlagen).

Zum anderen sind hier Fälle angesprochen, in denen der Reiseunternehmer zwar in fremdem Namen handelt, gleichwohl aber in der Gestaltung des „Abgabe“-Preises an den Reisenden frei ist. Denn typisches Element eines Eigenhändlers ist die freie Preisgestaltung. Daher geht die Finanzverwaltung grundsätzlich davon aus, dass die Bündelung von Leistungen und die eigene Preisgestaltung zur Annahme von Eigenhandel i. S. d. § 25 UStG führen.

In der Tendenz wird in Grenzfällen der Reiseunternehmer eher als Eigenhändler bzw. Reiseveranstalter angesehen.

V. Zivil- und umsatzsteuerrechtliche Unterschiede am Beispiel des Gesetzentwurfs zur EU-Pauschalreiserichtlinie

1. Reiseveranstalter einer Pauschalreise

a. Vermittler als Reiseveranstalter nach § 651b Abs. 1 BGB-E

Nach dem Gesetzentwurf des § 651b Abs. 1 BGB-E ist ein Vermittler zivilrechtlich Reiseveranstalter, wenn mindestens zwei verschiedene Arten von Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise erbracht werden sollen und

  • der Reisende die Reiseleistungen in einer einzigen Vertriebsstelle im Rahmen desselben Buchungsvorgangs auswählt, bevor er der Zahlung zustimmt (§ 651b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB-E),
    oder
  • der Unternehmer die Reiseleistungen zu einem Gesamtpreis anbietet oder zu verschaffen verspricht oder in Rechnung stellt (§ 651b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB-E),
    oder
  • der Unternehmer die Reiseleistung unter der Bezeichnung „Pauschalreise“ oder ähnliches bewirbt oder auf diese Weise zu verschaffen verspricht (§ 651b Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BGB-E).

In diesen Fällen kommen zivilrechtlich – im Gegensatz zur klassischen Vermittlung – keine separaten Verträge zwischen dem Reisenden und den einzelnen Leistungserbringern zustande, sondern ein einheitlicher Pauschalreisevertrag mit dem zum Reiseveranstalter „umqualifizierten“ Vermittler.

Umsatzsteuerlich ist hingegen bei § 651b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB-E grundsätzlich weiterhin die Annahme einer Vermittlungsleistung möglich, sofern im Übrigen klar im fremden Namen und auf fremde Rechnung gehandelt wird.

In den Fällen des § 651b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 (Gesamtpreis) und Nr. 3 (Bezeichnung als Pauschalreise) BGB-E ist hingegen ein klares Handeln im fremden Namen und auf fremde Rechnung kaum vorstellbar, so dass insoweit wohl häufig Grenzfälle mit Elementen von Eigenhandel und Vermittlung vorliegen. So wird es wohl beim Ausweis eines Gesamtpreises am Merkmal „auf fremde Rechnung“ mangeln, während die Bezeichnung als Pauschalreise Zweifel am Merkmal „im fremden Namen“ begründet. In diesen – auch bisher wohl schon nicht klar zu beurteilenden – Fällen kann die zivilrechtliche Qualifizierung als Reiseveranstalter ein zusätzliches Indiz auch für die steuerliche Annahme von Eigenhandel sein.

b. Vermittler verbundener Online-Buchungsverfahren als Reiseveranstalter nach § 651c Abs. 1 BGB-E

Ferner wird ein Vermittler bei verbundenen Online-Buchungsverfahren zivilrechtlich zum Reiseveranstalter,

  • wenn er dem Reisenden für den Zweck derselben Reise mindestens einen Vertrag über eine andere Art von Reiseleistung vermittelt, indem er Zugriff auf das Online-Buchungsverfahren eines anderen Unternehmers ermöglicht,
  • er den Namen, die Zahlungsdaten und die E-Mail-Adresse des Reisenden an den anderen Unternehmer übermittelt,
    und
  • der weitere Vertrag spätestens 24 Stunden nach der Bestätigung des Vertragsschlusses über die erste Reiseleistung geschlossen wird.

Hier schließt der Reisende mithin mindestens zwei Verträge mit unterschiedlichen Anbietern. Gleichwohl wird zivilrechtlich ein einziger Pauschalreisevertrag mit dem als Reiseveranstalter anzusehendem ersten Vertragspartner (ursprünglich Vermittler) fingiert.

Umsatzsteuerlich bleibt hingegen weiterhin grundsätzlich das Handeln als Vermittler möglich, sofern der Reiseunternehmer klar im fremden Namen auf fremde Rechnung auftritt. Denn die in § 651c Abs. 1 BGB-E genannten Voraussetzungen für die zivilrechtliche Umqualifizierung eines Vermittlers in einen Reiseveranstalter betrifft weder das Merkmal „im fremden Namen“ noch das Merkmal „auf fremde Rechnung“.

2. Reisevermittler einer Pauschalreise nach § 651v BGB-E

Wer eine Pauschalreise vermittelt, ist nach der Legaldefinition des § 651v Abs. 1 S. 1 BGB-E ein Reisevermittler. Zivilrechtlich ist und bleibt daher der Vermittler einer Pauschalreise weiterhin ein Vermittler. Die Stellung eines Reisevermittlers geht zivilrechtlich jedoch mit folgenden zusätzlichen Vorgaben einher:

  • Erfüllung eigener vorvertraglicher Informationspflichten, die denen eines Reiseveranstalters entsprechen,
  • Haftung als Reiseveranstalter bei Vermittlung einer Pauschalreise eines Reiseveranstalters, der seinen Sitz weder in der EU noch im Europäischen Wirtschaftsraum, wenn der Reisevermittler nicht nachweisen kann, dass der „außereuropäische“ Reiseveranstalter die ihn treffenden Pflichten (Mängelgewährleistung, Beistandspflicht, Pflicht zur Insolvenzsicherung) erfüllt

Umsatzsteuerlich ergeben sich dadurch keine Änderungen. Der Reiseunternehmer bleibt weiterhin steuerlicher Vermittler, sofern er klar im fremden Namen auf fremde Rechnung auftritt.

3. Vermittler verbundener Reiseleistung mit verschärften Pflichten nach § 651w BGB-E

Nach § 651w Abs. 1 BGB-E ist ein Unternehmer Vermittler verbundener Reiseleistungen, wenn er für den Zweck derselben Reise, die keine Pauschalreise ist, dem Reisenden

  • anlässlich eines einzigen Besuchs in seiner Vertriebsstelle oder eines einzigen Kontakts mit seiner Vertriebsstelle
  • Verträge mit anderen Unternehmern über mindestens zwei verschiedene Arten von Reiseleistungen vermittelt und
  • (nach der noch aktuellen Entwurfsfassung, die voraussichtlich insofern geändert wird) der Reisende diese Leistungen getrennt auswählt und bezahlt
    oder dem Reisenden,
  • mit dem er einen Vertrag über eine Reiseleistung abgeschlossen hat oder dem er einen solchen Vertrag vermittelt hat,
  • in gezielter Weise mindestens einen Vertrag mit einem anderen Unternehmer über eine andere Art von Reiseleistung vermittelt und
  • der weitere Vertrag spätestens 24 Stunden nach der Bestätigung des Vertragsschlusses über die erste Reiseleistung geschlossen wird.

Diesen Vermittler treffen zivilrechtlich weitere Pflichten (Informationspflicht und Pflicht zur Insolvenzsicherung bei Entgegennahme von Zahlungen des Reisenden durch den Vermittler).

Dies hatte bereits der Bundesrat in seiner Stellungnahme moniert und sich für den Vermittlerstatus ausgesprochen, auch wenn die – lediglich aufsummierten – Einzel-Reiseleistungen in einem einheitlichen Bezahlvorgang beglichen würden (BT-Drucks. 18/10822, S. 119). Zur Begründung führte er insbesondere den unangemessen hohen bürokratischen Aufwand an, den ansonsten zahlreiche klein- und mittelständische Reisebüros und Tourismusorganisationen betreiben müssten, wenn sie nicht den besonderen Pflichten eines Reiseveranstalters unterfallen wollten. Dieser Auffassung hat sich schließlich die Europäische Kommission anlässlich des DRV-Loungegesprächs zur Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie am 16. Februar 2017 angeschlossen. Die Verabschiedung der entsprechenden Gesetzesänderung wird für April 2017 erwartet.

Umsatzsteuerlich ergeben sich keine Änderungen. Der Reiseunternehmer bleibt weiterhin steuerlicher Vermittler, sofern er klar im fremden Namen auf fremde Rechnung auftritt.

4. Vermittler einer Einzel-Reiseleistung

Die Vermittlung von Einzel-Reiseleistungen unterfällt zivilrechtlich, wie schon bisher, nicht den besonderen reiserechtlichen Regelungen, sondern den allgemeinen Vorschriften (Rückschluss aus § 651w Abs. 1 Nr. 2 BGB-E, BT-Drs. 18/10822, S. 67).

Umsatzsteuerlich ergeben sich dadurch keine Änderungen. Der Reiseunternehmer bleibt weiterhin steuerlicher Vermittler, sofern er klar im fremden Namen auf fremde Rechnung auftritt.

VI. Fazit

Die zivilrechtliche Umqualifizierung eines Vermittlers in einen Reiseveranstalter schlägt nicht per se auf das Steuerrecht durch. Aufgrund der verschiedenen Zwecksetzungen – Verbraucherschutz auf der einen, fiskalische Interessen auf der anderen Seite – ist die Frage, ob ein Unternehmer als Reiseveranstalter oder Vermittler zu beurteilen ist, davon abhängig, in welchem Rechtsgebiet sich die Frage stellt.

Steuerlich bleibt nach wie vor entscheidend, ob der Unternehmer klar im fremden Namen und auf fremde Rechnung, d. h. als Vermittler auftritt. Dann bleibt es, wie bisher, bei der Besteuerung der Provisionen. Eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung für Hoteleinkauf ist ausgeschlossen.

Kritisch könnte die zivilrechtliche Umqualifizierung eines Vermittlers in einen Reiseveranstalter sein, wenn aus Sicht des insoweit maßgeblichen durchschnittlichen Reisekunden nicht eindeutig zu erkennen ist, wie der Unternehmer handelt. Dies ist insbesondere bei Ausweis eines Gesamtpreises (§ 651b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB-E) oder der Bezeichnung als Pauschalreise oder Ähnliches (§ 651b Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BGB-E) der Fall.

Die derzeitige Praxis der Finanzverwaltung – bei Ausgabe eines Sicherungsscheins das Vorliegen eines steuerlichen Eigenhändlers zu unterstellen – kann zukünftig nur sehr begrenzt gelten, denn während bisher zivilrechtlich nur Reiseveranstalter zur Ausgabe eines Insolvenzsicherungsscheins verpflichtet waren, kann diese Verpflichtung künftig auch einen Vermittler treffen (vgl. z.B. § 651w BGB-E).