Umgehende Hilfsmaßnahmen für die Touristik sind überlebenswichtig!

17.03.2020

Brandbrief an
alle Mitglieder des Deutschen Bundestags
alle zuständigen Ministerien
Wirtschaftsminister der Länder

In der vergangenen Woche haben wir uns mit einem Hilferuf an Sie gewandt, heute müssen wir dies erneut tun:

Die bisher schon katastrophale Situation für die Touristikbranche hat sich in den letzten 24 Stunden erneut dramatisch verschärft, denn …

  •  … die heute von Außenminister Maas ausgesprochene weltweite Reisewarnung,
  •  … die gestrige Aufforderung der Bundeskanzlerin keine Urlaubsreisen in deutsche Hotels zu unternehmen und
  •  … die heute angeordnete Schließung Tausender Reisebüros

haben in einer ohnehin schon existenziellen Krise der gesamten Tourismusbranche mit drei Mio. Beschäftigten endgültig den Boden unter den Füßen weggezogen.

Das am Freitag von Bundestag und Bundesrat verabschiedete Maßnahmenpaket ist definitiv nicht ausreichend, um für die weitausüberwiegende Mehrzahl der Unternehmen einen spürbaren, geschweige denn ausreichenden Effekt zu erzielen: KfW-Kredite können die Einnahmeverluste nicht kompensieren, wenn aufgrund der staatlich angeordneten Zwangs-Reisebeschränkungen sämtliche Umsätze entfallen: Die meisten Unternehmen werden diese Kredite niemals zurückzahlen können. Auch das geänderte Kurzarbeitergeld kommt viel zu spät:

Das Überleben Tausender touristischer Unternehmen ist keine Frage, die sich in den nächsten Monaten entscheidet – es ist eine Frage von Tagen, bestenfalls Wochen.

Wir wiederholen und erneuern daher unsere Forderungen der vergangenen Woche und richten einen eindringlichen Apell an Sie:

Handeln Sie! Sofort!

Von IHREN Entscheidungen hängen JETZT Tausende von Unternehmen, Hunderttausende von Arbeitsplätzen ab!

Vier Maßnahmen sind jetzt zwingend und umgehend erforderlich, um zumindest einen Großteil der Unternehmen noch retten zu können:

1. Erstattung der entfallenden Stornokosten für Reiseveranstalter

Veranstalter sind aufgrund der allumfassenden Reisewarnung nun gesetzlich gezwungen, weltweit alle Reisen abzusagen:

  • Hierdurch gehen alle Einnahmen verloren, denn die Veranstalter sind gesetzlich gezwungen nach §651 h BGB den Kunden den gesamten Reisepreis umgehend zu erstatten.
  • Zudem bleiben die Veranstalter aber auf allen Kosten für die überwiegend bereits vorab bezahlten Leistungen (Flüge, Hotels etc.) sitzen.

Wir fordern: Veranstaltern müssen bei erzwungenen Absagen von Reisen die ihnen üblicherweise entstehenden Stornokosten von der öffentlichen Hand er-setzt bekommen oder zumindest statt der Rückzahlung des Reisepreises hierfür Gutscheine ausgeben dürfen.

Begründung: Die Zwangs-Stilllegung sämtlicher Geschäftstätigkeit ist weder von den Touristikunternehmen verursacht noch von Ihnen zu verantworten. Der §651 h BGB war nie für Fälle einer Pandemie gedacht; er ist dafür auch nicht geeignet.

2. Erstattung der entfallenden Provisionen für Reisemittler

Reisemittler erhalten bei abgesagten Reisen keine Provisionen.

  • Hierdurch gehen alle Einnahmen verloren, denn Reisebüros finanzieren sich ausschließlich durch Provisionseinnahmen aus der Vermittlung von Reisen.

Wir fordern: Reisebüros müssen bei erzwungenen Absagen von Reisen die ihnen vertraglich mit den Veranstaltern vereinbarten Provisionen ersetzt bekommen.

Begründung: Der Entfall sämtlicher Einnahmen ist weder von den Reisebüros verursacht noch von Ihnen zu verantworten. Entweder wird hier der Kunde im Solidaritätsprinzip gezwungen, den finanziellen Schaden mitzutragen oder der Staat muss dies tun. Sofern die Forderung aus 1. erfüllt wird, wird es den Veranstaltern auch möglich sein, den Vermittlern die ihnen zustehende Provision auszuzahlen.

3. Verabschiedung eines Aufbringungsmoratoriums für die Touristikbranche

Reiseveranstalter und Reisebüros haben derzeit einen 100%-igen Einnahmeverlust zu beklagen – die Kosten laufen jedoch weiter:

  • Zahlungen für Raummiete, Leasing, Versicherungen, Versorgung etc. belasten die Liquidität der touristischen Unternehmen weit über das noch tragbare Maß hinaus.

Wir fordern: Die Bundesregierung muss ein Aufbringungsmoratorium verabschieden, das es touristischen Unternehmen erlaubt, die monatlich der Höhe oder dem Grunde nach gleichbleibenden Aufwendungen aufzuschieben, ohne dass seitens der Gläubiger Verzugszinsen, Mahngebühren o.ä. geltend gemacht werden können.

Begründung: Diese Aufwendungen sind derzeit für die meisten Unternehmen nicht mehr finanzierbar, zumindest nicht, solange die Mittel aus den Forderungen (1) und (2) noch nicht geflossen sind. Diese Corona-Krise trifft die gesamte Gesellschaft ins Herz – es kann nicht sein, dass Immobilienbesitzer, Banken. Energieversorger, Telekommunikationsanbieter etc. weiter gesicherte Einkommen aus Miete, Fahrzeug-Leasing, Versorgung und vergleichbaren Positionen erzielen, während die touristischen Unternehmen monatelang ums schiere Überleben kämpfen werden.

4. Deutschen Fluggesellschaften sind die beantragten Staatshilfen unbürokratisch und schnell zu gewähren.

Der touristische Mittelstand unterstützt die individuellen Forderungen von u.a. Lufthansa und Condor vollumfänglich.

Begründung: Ein Überleben der mittelständischen Veranstalter und Reisebüros bietet nur dann eine Perspektive, wenn nach Lockerung der Reisebeschränkungen auch noch Fluggesellschaften existieren, die den Reiseverkehr wieder aufnehmen können.

Der parlamentarische Staatssekretär für Tourismus, Thomas Bareiß, hat bereits einen Notfall-Fonds gefordert.

Wir fordern Sie auf: Stellen Sie sicher, dass dieser Fonds noch diese Woche in die Wege geleitet wird und dass er mit den notwendigen Mitteln ausgestattet ist: Die deutsche Touristik erzielt jährlich einen Umsatz von mehr als 300 Mrd. Euro, der mittlerweile komplett weggebrochen ist – der Umsatzverlust liegt also bei mehr als 800 Mio. Euro pro Tag.

Allein zur Kompensation der Schäden in den kommenden fünf Wochen bis zum Ende der Osterferien entstehen der Branche knapp 30 Mrd. Euro Verluste – der Fonds muss daher in annähernd gleicher Größenordnung ausgestattet sein – plus 1 Mrd. Euro für jeden weiteren Tag des „Shutdown“. Das ist eine gewaltige Summe, aber die volkswirtschaftlichen Schäden bei zusätzlichen 3 Mio. Arbeitslosen lägen weit höher.

Die Touristik ist wirtschaftlich härter getroffen als alle anderen Branchen. Die Touristik ist bereit, harte Einschnitte und gewaltige finanzielle Belastungen auf sich zu nehmen. Wir zeigen uns mit der ganzen Gesellschaft in dieser Krise solidarisch und tragen die angeordneten Maßnahmen vollumfänglich mit.

Doch nur bei Erfüllung aller vier Forderungen und einem ausreichend ausgestatteten Notfall-Fonds wird es „nach Corona“ noch eine Tourismusbranche geben.

Sehr geehrte Damen und Herren, drei Millionen Menschen in der deutschen Touristik brauchen Ihre Unterstützung, drei Millionen Menschen zählen auf Sie!

Mit freundlichen Grüßen
im Namen aller angeschlossenen Verbände

Jochen Szech                       Anke Budde
Präsident                             Geschäftsstellenleitung / Schatzmeisterin

Die Forderungen werden unterstützt von:

  • asr – Allianz selbständiger Reiseunternehmen Bundesverband e.V.
  • Reisenetz Deutscher Fachverband für Jugendreisen e.V.
  • BDS – Bund der Selbstständigen Deutschland e.V.
  • Forum anders Reisen e.V.
  • Bundesverband der Campingwirtschaft in Deutschland e.V.
  • Bundesverband Individual- und Erlebnispädagogik e.V.
  • Bundesforum Kinder- und Jugendreisen e.V.
  • European Ropes Course Association
  • Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugenderholungszentren e.V.
  • Bundesverband führender Schulfahrtenveranstalter e.V.
  • FDSV Fachverband Deutscher Sprachreise-Veranstalter e.V.
  • Landesverband für Kinder- und Jugendreisen Berlin-Brandenburg e.V.
  • Arbeitsgemeinschaft Karibik e.V.
  • Verband der Russischen Tourismusindustrie in Deutschland e.V.
  • RTGV Reiseleiter und Tourguide Verband e.V.
  • Verband Deutscher Schullandheime e.V.