Berlin, 09.03.2020

An die Mitglieder des Deutschen Bundestag
An das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
An das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz

Die Ausbreitung des Sars-CoV-2 und insbesondere die damit einhergehenden Beschränkungen des weltweiten Reiseverkehrs haben eine starke Wirkung auf die globale Wirtschaft und die heimische Tourismusindustrie. Die Krise trifft vor allem kleine und mittelständische Unternehmen.

Die aktuelle Situation:

In China gilt absolutes Reiseverbot, Kreuzfahrtschiffe stehen wochenlang unter Quarantäne und zahlreiche Flugverbindungen sind vorerst gestrichen. Das Virus hat bereits jetzt gravierende Auswirkungen auf die Reisebranche:

  • Schon heute verzeichnen Reisebüros und Reiseveranstalter Buchungsrückgänge bis zu 80%, wie eine aktuelle, repräsentative Umfrage unter unseren Mitgliedsunternehmen in der vergangenen Woche ergeben hat
  • Bereits gebuchte Reisen werden zunehmend storniert, auch hier, je nach Zielgebiet, bis zu 80% der Reisen – auch dies sind Daten unserer Mitglieder, decken sich aber auch mit dem Bild in anderen Verbänden.
  • Reiseveranstalter müssen nach §651 h (4) BGB eingenommene Kundengelder zu 100% erstatten, wenn unvermeidbare außergewöhnliche Umstände wie eben die Corona-Pandemie zur Absage der Reise zwingen.
  • Reisebüros müssen auf Provisionsauszahlungen verzichten, sprich: Beide Parteien erhalten Ihre Arbeit und Aufwendungen nicht vergütet, sondern müssen noch Mehrkosten tragen (Beratungsaufwand etc.)

Das ist die Ist-Situation, heute am 9. März 2020.

Der Ausblick:

Niemand kann derzeit abschätzen, wie sich die Situation in den nächsten Wochen entwickeln wird. Wir befürchten, dass sich die Buchungslage weiter verschlechtern wird, zumal erste Urlaubsländer Einreisesperren für Deutsche verhängen. Die ohnehin schwächelnde Konjunktur wird durch das Virus zusätzlich an Schwung verlieren, was die Nachfrage weiter dämpft. Hinzu kommen fast täglich neue Entscheidungen aus den Bundesministerien und dem Auswärtigen Amt, die konkreten und direkten Einfluss auf unsere Arbeit haben. Eine belastbare Personal- und Liquiditätsplanung ist touristischen Unternehmen daher zurzeit nicht mehr möglich.

Absagen von Großveranstaltungen und Messen, wie bspw. der ITB, stellen die Branche vor zusätzliche Herausforderungen, da hier in Messeauftritte und Kundenmaterial Zehntausende Euros investiert wurden, die an Dienstleister wie Messebauer gezahlt werden müssen, ohne dass aktuell Einnahmen oder Ausgleichszahlungen erfolgen.

Erste Insolvenzen aufgrund der aktuellen Krise sind bereits erfolgt, vor allem bei Asien-Veranstaltern. Wir befürchten jedoch, dass es bereits im zweiten Quartal eine Vielzahl von weiteren ungewollten Marktaustritten geben wird. Je nach Ausbreitung und Auswirkung des Sars-CoV-2 ergeben sich unterschiedliche Szenarien, aber im schlechtesten Falle ist durchaus mit einer Insolvenzwelle zu rechnen, die – wie im Vorjahr im Falle von Thomas Cook – erneut den zur Verfügung stehenden Betrag von 110 Mio. Euro p.a. pro Versicherer für die daraus resultierenden Rücktransportkosten und Kundenrückzahlungen sprengen könnte – eine Entwicklung, die niemandem nützen würde.

Unsere Bitte an die Politik:

Machen Sie sich stark für schnelle und unbürokratische Hilfen für die Branche! Wichtig sind hierbei insbesondere folgende Maßnahmen:

  • Veranstaltern müssen bei erzwungenen Absagen von Reisen die ihnen entstehenden nachgewiesenen Kosten nach §651h (4) in angemessenem Maß erstattet werden. Wir fordern: 50% Erstattung bis zu einem Höchstbetrag von €100.000 pro Veranstalter. Eine Beantragung muss unbürokratisch erfolgen können, eine schnelle Auszahlung, d.h. innerhalb von Tagen und nicht etwa Monaten, ist überlebenswichtig.
  • Reisebüros müssen bei erzwungenen Absagen von Reisen durch die Veranstalter im Rahmen von §651 h (4) BGB die entfallenen Provisionen in angemessenem Maß erstattet werden. Wir fordern: 50% Erstattung bis zu einem Höchstbetrag von €100.000 pro Reisebüro. Zur Beantragung und Auszahlung gilt das oben Gesagte.
  • Die zum 1. April vorgesehene Erhöhung der Luftverkehrssteuer belastet alleine die deutschen Reiseveranstalter mit ca. 30 Mio. Euro für Tickets, die vor Inkrafttreten des Gesetzes bereits für den Sommer 2020 verkauft wurden. Die Einführung ist daher auf 2021 zu verschieben, denn diese zusätzliche Belastung können die deutschen Veranstalter derzeit schlichtweg nicht stemmen.
  • Sämtliche Steuerzahlungen (Mehrwertsteuer, Luftverkehrssteuer, Gewerbesteuer etc.) sind bis 31.12.2020, in nachgewiesenen Härtefällen bis 31.12.2021 zu stunden.

Darüber hinaus sind ergänzend und flankierend die bereits öffentlich diskutierten Maßnahmen wie

  • schneller und unkomplizierter Zugang zu KfW- Fördermitteln
  • leichte und zügige Umsetzung von beantragter Kurzarbeit

sinnvoll. Diese allein wären aber keineswegs ausreichend.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir brauchen Ihre Unterstützung!

Wären wir Bauern und nicht Touristiker, so ließen wir heute unsere Äcker alleine und würden mit unseren Traktoren vor dem Reichstag unsere Notlage verdeutlichen.

Doch wir sind Touristiker und keine Bauern – so werden wir unsere Kunden nicht alleine lassen, sondern auch heute wieder stundenlang deutsche Urlauber informieren, beraten, umbuchen, stornieren, beruhigen und mit ihnen gemeinsam nach den besten möglichen Lösungen suchen, um sie sicher und gesund in den verdienten Urlaub zu bringen und das Überleben des eigenen Unternehmens zu sichern. Daher stehen wir heute nicht mit Traktoren – oder Liegestühlen – vor dem Reichstag. Doch auch wenn wir optisch heute nicht in Erscheinung treten: Die Notlage der Touristik hat ein historisches Ausmaß erreicht.

Nur SIE haben es jetzt noch in der Hand, die schlimmsten wirtschaftlichen Auswirkungen noch abzuwenden. Wir setzen unsere Hoffnungen auf Sie.

Für alle Rückfragen stehen wir Ihnen wie immer gerne und jederzeit zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Jochen Szech                                 Anke Budde
Präsident                                        Geschäftsstellenleitung / Schatzmeisterin